erschien 1992 anlässlich der Ausstellung C.A.pictures in der
EA-Generali Foundation, Wien.
Herausgeberin: Sabine Breitwieser
Übersetzung: Maria E. Clay
1: Alle Theorien und Systeme sind strukturierte (getarnte?) Subjektivität und erst in ihrer Gesamtheit eine Annäherung an die Möglichkeiten.
2: Alle Systeme sind letztlich hinfällig, weil sie um ihres Funktionierens willen gezwungen sind, Leisten zu schaffen und so prinzipiell dem Leben konträr laufen. Manche Systeme halten sich aber erstaunlich lange, indem sie es schaffen, einen Teil für das Ganze auszugeben.
3: Sobald ich mich mit der Struktur einer Sache oder eines Ablaufs beschäftige, merke ich, dass die dazugehörigen Regeln und Vorgaben fast immer zu kurz gefasst sind und hauptsächlich dazu dienen, eine Sache oder einen Ablauf in den Zugriff zu bekommen.
4: Sogar in der Kunst, die sich doch so freiartig gibt und die von allen Feldern das breiteste sein könnte, wird nur ein geringer Teil der Möglichkeiten (aus mangelnder Beschäftigung damit oder aus freiwilliger Selbstbeschneidung?) ausgeschöpft und gezeigt.
5: Was für eine Weiterentwicklung der Sinneskraft, der Wissenschaft, der Wirtschaft gilt, gilt auch für die Kunst: Keine Bewegung kann in der Abschottung bestehen.
6: Wichtig in der Kunst wird es sein, Verbindungen herzustellen zwischen den Teilen, sich vor den Bequemlichkeiten des Separatismus zu hüten.
7: Beim Revolutionieren von Kunst – falls man dieses im Sinn hat – nutzt es offensichtlich wenig, sich in den neuest zugänglichen Techniken umzusehen und darauf zu vertrauen, dass man als Benutzer/in dieser schon an sein Ziel gelangen wird: Nützlicher wäre eine Veränderung des Standortes von und zur Kunst.
8: Kunst wird als Luxus gehandelt (trotz des Geredes von einem Grundbedürfnis des Menschen).
9: Wie wäre es damit: Die Kunst in die Freiheit des Schauens, des Zufällig-Sehens, auch des Nicht-gesehen-Werdens. Zu riskant?
10: Eigentlich ist es staunenswert, dass die Form der Kunstpräsentation so unverdrossen seit fast 250 Jahren die gleiche geblieben ist. Braucht die Kunst das gewohnte Mäntelchen um sich vom Leben abzuheben, um in Ruhe gelassen zu werden von demselben?
11: Gewiss ist: Nicht freiwillig wird das Leben an die Kunst herantreten.
12: Und doch bin ich mir ganz sicher, dass Kunst eine Wichtigkeit haben könnte (über die Wichtigkeit als Vorgeschobenes und Verbrämendes hinaus): Sie könnte zumindest, da sie ja keine Verantwortung (abgesehen, wenn man so will, von ihren Verpflichtungen gegenüber dem Markt) tragen muss, Möglichkeiten zeigen außerhalb der festgefahrenen Strukturen.
13: Überhaupt wird es den Kunstproduzent/innen nicht erspart bleiben, sich mit gleicher Intensität um das kulturelle System zu kümmern, in dem ihre Produktionen stattfinden oder durch das sie ermöglicht werden.
14: Vom Konsumenten aus betrachtet, ergibt sich Folgendes: Kultur = Versammlung eines Teils der Bürger/innen zwecks Kommunikation, Bestätigung, Geschmacks- und Wertsicherung; Freizeitgestaltung. Sport = Versammlung eines Teils der Bürger/innen zwecks Kommunikation, Wertesicherung, Bestätigung; Freizeitgestaltung.
15: Ein Sinn von Kunst scheint mir darin, die Sinne für auch alle anderen Möglichkeiten von Struktur, Formen, Abläufen zu schärfen.
16: Die Sprache, mit der ein Kunstprodukt angekündigt oder präsentiert wird, ergeht sich oftmals in Lobpreisungen, was insofern nivelliert wird, dass alle anderen Kunstprodukte auch lobgepriesen werden und der Fundus an bemerkenswerten Adjektiven nicht unerschöpflich ist.
17: Soll man sich bequemen / bescheiden und die Kunst den Kunstmärklern und dem Kulturservice überlassen?
18: Einerseits: ist keine Produktion möglich, indem alle Möglichkeiten ins Auge gefasst werden; andrerseits: ist das Ausschließen von vielem eine Verminderung des möglichen Produkts. Man könnte meinen: Eine Lösung dieses Anspruchs läge darin, Produkte nebeneinander zu stellen und in ihren zusammengefassten Einzelheiten als Betrachter oder Betrachterin eine größere Annäherung an die gesamte Möglichkeit zu erreichen. Nur: Die Welt ist bereits voll und übervoll von Produkten.
19: Die konzeptuelle Sparte, die sich doch eines größeren Raumes für ihre Produkte bedient, hat dann oft nichts anderes im Sinn, als diesen erweiterten Raum mit Strategien und Ordnungssystemen zu regeln.
20: Vielleicht liegt die Kühnheit der Kunst der Zukunft nicht darin, Dinge zu erschaffen, sondern Dinge zu beseitigen.
21: Ganz unbestritten gibt es immer wieder sehr Gutes und Interessantes in der Kunst – aber das gibt es überall anders auch.
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